Zwei Tage intensive Recherchereise – und wir sind um viel Wissen und viele Begegnungen reicher: Von inspirierenden Nachhaltigkeitsprojekten und einer Kapitalgesellschaft, die nicht auf blinde Gewinnmaximierung ausgerichtet ist, und trotzdem floriert.
Der Flieger hebt ab und ich muss schmunzeln: „Frauen beteiligen sich erst seit 1973 am Aktienhandel. Seitdem hat sich herausgestellt, dass sie in schwierigen Marktphasen die klügeren Anleger sind“, lese ich im ADAC-Reiseführer für London. Dann wollen wir mal sehen.
Auf Big Ben und Co. müssen wir diesmal weitgehend verzichten, das Ziel unserer Damensache-Recherchereise: The City of London, ein Hotspot der globalen Finanzwelt. Zwei Tage lang fühlten wir den Fondsmanager:innen der Investmentgesellschaften Vanguard und abrdn auf den Zahn.
Nur rund 4.000 Menschen leben im historischen wirtschaftlichen Zentrum Londons, umgeben von Skycrapers der Banken, Börse, Kapitalanlagegesellschaften und Versicherungen; aber Hunderttausende, die fast klischeehaft in schnittigen dunklen Kostümen und Anzügen stecken, pendeln täglich dorthin.
abrdn: 40 Prozent Frauen im Team
Der ADAC-Reiseführer hatte recht: Mit Katie Trowsdale und Andrea Wehner lernten wir zwei weitsichtige Investment-Managerinnen kennen – und unsere Damensache-Herzen schlugen noch höher, als wir erfuhren, dass die Frauenquote bei abrdn bei 40 Prozent liegt. Im Mittelpunkt unserer Gespräche standen: Inflation, Geldpolitik und Prognosen über Zinssenkungen. Leider klafft noch immer eine massive Lücke zwischen den Zinsen und der Inflation; wir haben für Damensache vor allem die erwarteten Risiken und Renditen diverser Anlageklassen diskutiert.
Wir von Damensache machten es uns ohnehin zur Aufgabe, genau hinzusehen – unser Austausch ergab einmal mehr: Blinde Begeisterung für Nachhaltigkeitsfonds ist fehl am Platz. Um sich das Schlagwort auf die Fahnen heften zu können, investieren Unternehmen nämlich nicht selten in bereits bestehende Strukturen; das treibt die eigentliche Sache aber zu wenig voran. Umso inspirierender war Thomas Leys Vortrag, er ist ESG-Investment Director bei abrdn (ESG steht für die Nachhaltigkeitskriterien Environmental, Social und Governance).
Er ist mit seinem Team weltweit unterwegs, um regionale Nachhaltigkeits-Projekte mit großem Mehrwert zu finden. Ein schönes Beispiel aus London: abrdn investiert in ein Infrastrukturprojekt, das durch die Errichtung eines riesigen Auffangbeckens verhindert, dass bei Starkregen das Abwasser aus der Kanalisation in die Themse geschwemmt wird.
Einfach wow: Der Vanguard-Effekt
Manchmal werden ja ETFs als die Innovation der Gegenwart bejubelt, bei unserer Recherchetour stellte sich heraus: Die Idee hat fast ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel. Vanguard, die zweitgrößte Kapitalgesellschaft der Welt nach Blackrock, bot bereits 1976 den allerersten Indexfonds der Welt für Privatanleger:innen an.
Am meisten begeistert uns bei Vanguard aber die „Firmenphilosophie“: Die auf genossenschaftliche Eigentümerstruktur basierende Gesellschaft ist nicht auf unendliche Gewinnmaximierung ausgerichtet, sondern auf Kostendeckung. Der Benefit für die Anleger:innen: Vanguard hält damit die Kostenführerschaft auf dem Markt, ihre Produkte beinhalten also im Vergleich eine niedrige Fondsmanagementgebühr.
In Fachkreisen spricht man sogar vom Vanguard-Effekt. Der Begriff entstand vor vielen Jahren in den USA, als man beobachtete, dass die Kosten in einem Markt, in den Vanguard neu eintrat, sanken. Das lag zum einen an den niedrigen Kosten der Vanguard-ETFs, zum anderen reagierten andere Fondsanbieter darauf, indem sie ebenso ihre Gebühren reduzierten.
Mit Dr. Jan-Carl Plagge, Head of ESG Research bei Vanguard, und Cora Kaczmarek vom Sales Executive-Team haben wir uns weiter in die Materie vertieft: Wir sprachen im Detail über die kosteneffiziente Indexstrategie, beleuchteten die Analyse der Renditestreuung von über 5.450 aktiv und passiv gemanagten Fonds und führten rege Gespräche darüber, ob flexible Multi Asset Ansätze zu besseren Ergebnissen führen.
Diese pulsierende und farbenprächtige Stadt möge mir verzeihen, für Sightseeing blieb aus gutem Grund keine Zeit. Dafür bereicherten unsere Damensache-Mission viel Wissen und wertvolle Begegnungen, die uns London schenkte.